
Wie ich selbst zum Klettern gekommen bin…
… oder kam das Klettern vielmehr zu mir? Ich war Mitte 20 und befand ich damals in einer wirklich herausfordernden Phase meines Lebens:
Studium-Abschlussphase, seit Kurzem vollzeit berufstätig, privat aufgrund eines Umzugs in einer völlig neuen Umgebung und on top noch frisch getrennt. Ich fühlte mich traurig, einsam und kraftlos, konnte
nicht gut schlafen und plagte mich mit Kopf-, Rücken- und Herzschmerzen sowie chronischer Zeitnot.
Eine langjährige enge Freundin erwähnte bei einem ihrer Besuche, dass mir Klettern vielleicht mal
guttäte. Wie bitte?? Klettern?! ICH!?!
Alles in mir sträubte sich: ich komme keineswegs aus einer sportlichen Familie und mein Bewegungspensum beschränkte sich dementsprechend auf Spazieren gehen und ab und an beim
Ausgehen auf der Tanzfläche zu sein. Mein Bedürfnis, etwas Neues – noch dazu etwas gefühlt so
Extremes auszuprobieren, ging gegen Null. Abgesehen davon, dass ich es mir schlichtweg nicht zutraute!
Meine liebe Freundin ließ aber nicht locker und bot mir wiederholt an, einfach mal mitzukommen, wenn sie wieder mit Freunden in der Kletterhalle sei. Und schließlich war ich dann tatsächlich mit vor Ort. Ich würde es mir „lediglich mal anschauen“ war die Abmachung (- oder vielmehr RAUFschauen, wie ich dann bald feststellte…). Selbst ausprobieren? Lieber nicht! Die Wandhöhe wirkte geradezu einschüchternd auf mich: nie im Leben würde ich da raufkommen – das trau ich mich sowieso nicht! Und ich weiß ja auch gar nicht WIE… überhaupt fehlt es mir an Kraft und körperlichem Können. Und mit einer extra Portion Mut, die man zum Klettern offensichtlich braucht, bin ich auch nicht ausgestattet!!
So oder so ähnlich meine Gedanken – noch mit festem Boden unter den Füßen. Die Kletterhalle verlassen habe ich allerdings auch nicht… Und nach längerem Zuschauen und der Aufmunterung durch meine Begleitung („Probier` s einfach mal aus! Es ist nicht so schwer wie es aussieht. Du kannst das bestimmt- und wir helfen dir, falls nötig…“), wurde ich dann doch neugierig es selbst zu versuchen. Und der Rest ging dann schnell: Gurt und Kletterschuhe an. Seil fixiert, Sicherungsgerät eingelegt. Und: weg nach oben!
Mit Adrenalin in den Adern und einem ordentlichen Schuss Selbstüberwindung machte ich also meine ersten Schritte an der Kletterwand. 1000 Gedanken schossen mir durch den Kopf – aber KEINER davon beschäftigte sich mit Uni, Job oder meiner vergangenen Beziehung.
Und plötzlich: war ich oben! Es ging nicht mehr weiter. Ich hatte das Top erreicht!
Unglaublich: ich hatte das für mich Unmögliche geschafft. Aus eigener Kraft war ich hier hochgekommen! Die Gefühle waren überwältigend: Stolz, Freude, Überraschung. Und noch mehr Stolz und Freude, als ich wieder am Boden zurück war und mir die Anderen zu meinem ersten Kletterversuch gratulierten. Für mich war sofort klar: das Alles wollte ich wieder erleben!! Auch wenn es mich erneut viel Überwindung kosten würde…
Und so fing es an, dass ich mich in diese – für mich völlig neue Welt begeben habe. Bis heute hat mich die Faszination rund ums Klettern nicht mehr losgelassen. Wie viele neue Welten folgen würden, davon hatte ich damals noch keine Ahnung. Und auch nach etlichen Jahren erlebe ich immer wieder, dass in mir mehr Potential steckt, als ich jemals für möglich gehalten hätte. „Raus aus der Komfortzone“ sagen die Kletterfreunde gerne und beziehen sich dabei auf das 3-Zonen Modell aus der Erlebnispädagogik. Und aus eigener Erfahrung kann ich bestätigen: der Komfortbereich ist zwar angenehm, erlaubt aber kaum neue Erfahrungen oder Weiterentwicklung. Auch die Panikzone bringt nicht viel Neues. Gelernt wird dazwischen – und das auf oft ungewöhnliche Art und Weise.